"Herr Landrat,
Kolleginnen und Kollegen Kreisräte,
Mark Rutte, der frisch wiedergewählte Premierminister der Niederlande, hat in der letzten Woche in Bezug auf die EU gesagt: „In der Beschränkung zeigt sich der Meister“. Ein Zitat, was wohl auf Goethe zurückgeht und was für alle Ebenen Richtschnur sein könnte. Für uns hier aber künftig in jedem Fall.
In Vorbereitung des heutigen Tages hab ich mir noch einmal angeschaut, was ich eigentlich vor 2 Jahren an dieser Stelle gesagt habe. Wir wussten damals noch nicht, wie Corona geschrieben wird. Die Welt war einigermaßen in Ordnung: bei stabil niedriger Kreisumlage konnten wir umfangreich investieren, alle Aufgaben erfüllen und dennoch ein im Sachsenvergleich außergewöhnlich gutes Zahlenwerk beschließen.
Trotzdem habe ich auch damals schon sehr ausführlich auf die volkswirtschaftlichen und demographischen Probleme hingewiesen. Auch ganz ohne Pandemie schoben wir eine enorme Last vor uns her. Der größte Teil davon ist überhaupt nicht durch uns hier beeinflussbar: Die KSV-Umlage steigt unaufhaltsam. Der Unterhaltsvorschuss erhöht sich massiv. Das Bundesteilhabegesetz bringt enorme Mehrkosten. Heimunterbringungskosten erhöhen sich, weil wir uns ja einig sind, dass Pflegekräfte mehr verdienen sollen. Die Liste des weiteren Ausbaus des weltweit umsorgendsten Sozialstaates lässt sich fortsetzen.
Dazu kommen dann Wünsche, die wir selbst hier formuliert haben: Der ÖPNV soll attraktiver werden, beim Breitbandausbau sind wir ganz vorn, unsere Schullandschaft ist einzigartig, die Sportförderung ebenfalls.
Mir fällt ja nicht ein einziger Punkt von all den Sachen ein, den irgendjemand hier für überflüssig oder falsch hält. Nur ist es wie bei vielen Familien zu Hause auch: Am Ende des Budgets sind noch Wünsche da. Und dann muss der Rotstift her, auch wenn’s weh tut. Schließlich wissen wir: Auf der Einnahmeseite ist kaum was zu holen. Es war immer unser erklärtes Ziel, die Gemeinden über die Kreisumlage so gering wie möglich zu belasten. Geldregen von oben nach dem Prinzip „die Finanzierung folgt der Aufgabe“ kann man fordern. Für den Steuerzahler bleibt es "linke Tasche - rechte Tasche", denn sowohl Bund als auch Land finanzieren mittlerweile jede zusätzliche Aufgabe über Kredite. Kredite für konsumtive Ausgaben mag in einer Demokratie der einfachste Weg sein, weil es immer populär ist, Geschenke zu verteilen. In Wahrheit beraubt es unsere Kinder der Möglichkeiten, die Probleme der Zukunft auch zukünftig zu lösen. Es ist letztlich in hohem Maße unsozial und das Gegenteil von Nachhaltigkeit, die wir uns ja alle so gern auf die Fahnen schreiben.
Und jetzt kommt zu all den alten Problemen, die wir schon lange vor uns her schieben, noch Corona hinzu. In dem Zahlenwerk ist es ja weitgehend noch nicht abgebildet. Aber die Spätfolgen des Umgangs mit dieser Pandemie werden uns mit großer Wucht treffen.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich gehöre zu denen, die froh sind, nicht die schwerwiegenden Entscheidungen treffen zu müssen, welche Maßnahmen nun im Moment grad richtig sind. Auch wenn Vieles was uns bei den Themen Masken, Impfen, Testen, Kontaktbeschränkung unlogisch und falsch erscheint: Es gibt keine Blaupause und ich unterstelle den Entscheidungsträgern die Absicht eines bestmöglichen Schutzes der Bevölkerung.
Was ich nicht akzeptieren kann, ist der Ansatz, unbegrenzt geborgtes Geld übers Land zu kippen. Mir fehlt der Versuch, wenigstens ansatzweise soetwas wie Solidarität und Gemeinsinn zu erzeugen. Es ist unser aller Pandemie, nicht nur von ein paar Gastronomen, Einzelhändlern und Reisebüros. Natürlich müssen diese unterstützt werden, aber doch nicht vom Geld unserer Kinder. Ich schätze 85% der Menschen sind materiell überhaupt nicht von der Krise betroffen, im Gegenteil, sie hatten gar keine Gelegenheit Geld auszugeben. Und anstatt wie bei der letzten Flut, als die Oma im Wasser stand und jeder gesagt hat: „Wo kann ich helfen?“, wird jetzt der Instinkt geweckt: "Was bekomme ich?" Steuererleichterung für alle, Coronaprämie, mehr Kindergeld, mehr Hartz IV, usw. . Übrigens erkenne ich in der gesamt politischen Landschaft niemanden, der sich diesem Trend irgendwie widersetzt. Und dabei ist doch richtig: Jeder von uns, egal ob Unternehmer, Lehrer, Rentner, Beamter, Hartz-IV-Empfänger. JEDER hätte es durchaus ein Jahr lang mal mit 5% weniger ausgehalten.
Stattdessen lassen wir zu, dass selbst unsere Theaterschaffenden, mein Lieblingsbeispiel, mit einem sicheren Arbeitsplatz, auf Kosten der Steuerzahler das Kurzarbeitergeld aufgestockt bekommen. Und dass einige Lehrer mit stolzem Einkommen, selbiges auch dann erhalten, wenn sie sich die ganze Woche nicht bei ihren Schülern melden (leider keine Einzelfälle) und dass in Wirtschaft und Verwaltung wichtige Projekte liegenbleiben, weil sich die Entscheidungsträger im vermeintlich ach so produktiven Homeoffice ganz gut eingerichtet haben usw. .
Wenn allerorten immer wieder die Spaltung der Gesellschaft beklagt wird, ist das der Riss, der zukünftig immer tiefer durch dieses Land gehen wird: ¼ der Leute arbeitet noch wertschöpfend, ¾ sitzen in dem Karren, der von denen gezogen wird. Die, die früh aufstehen, sich die Hände dreckig machen, oft für kleines Geld körperlich schwer ran müssen – egal ob Corona ist – und die immer wieder die Dummen sind, weil sie unsere Wohlfühlgeschenke bezahlen müssen. Wenn wir es als Gesellschaft nicht schaffen, eben DIESE wieder in den Mittelpunkt zu rücken, dann sehe ich wirklich schwarz für den Zusammenhalt in unserem Land. Alle Wohltaten, sei es im sozialen oder im Umweltbereich, werden auch in Zukunft nur möglich sein, wenn diese den Karren weiterziehen, um im Bild zu bleiben.
Jetzt stehen wir also vor neuen Schuldenbergen in Land und Bund, und es ist nicht zu erwarten, dass unserem Haushalt von dort eine nachhaltige Entlastung zugute kommt. Unsere Städte und Gemeinden haben selbst die guten Zeiten der letzten Jahre nur mit Mühe überstanden. Auch da ist nicht viel zu holen.
Wir müssen uns also allein, viel mehr noch als in vorangegangen Jahren, unangenehme Fragen stellen und die richtigen Antworten darauf suchen. Das haben wohl alle Fraktionen in den letzten Wochen intensiv getan. Ich danke den Mitarbeitern der Verwaltung, allen voran Herrn Szewczyk, für die Unterstützung, die wir dabei erfahren haben. Und ich kann an der Stelle auch mal deutlich sagen, dass wir froh sind, ihn und sein Team in unserem Landkreis haben, weil wir sicher sein können, dass die Kasse auch in der schwierigen Lage in guten und kompetenten Händen ist.
Bei diesen unangenehmen Fragen sind wir zu vielen ähnlichen Antworten gekommen, daher auch der fraktionsübergreifende Antrag, der Ihnen vorliegt. Und auch hier mein Dank an die Kollegen, auch aus den anderen Fraktionen, für die sehr konstruktive Zusammenarbeit und den intensiven Austausch in den letzten Wochen. Ich schließe in diesen Dank ausdrücklich alle Fraktionen dieses Kreistages mit ein, denn ich glaube, es ist bei dieser intensiven Beschäftigung mit dem Zahlenwerk sehr deutlich geworden, dass uns allen die Zukunft dieses Kreises und seine finanzielle Stabilität wirklich am Herzen liegt. Das gilt im übrigen in gleicher Weise für die Kollegen Bürgermeister, die sich im Rahmen des SSG in die Diskussion eingebracht haben.
Allen war klar: mit einem einfachen "Weiter so" ist es nun wirklich nicht getan. Die hohe Investitionskraft – DAS eigentliche Markenzeichen unseren Landkreises - die Grundlage für eine lebenswerte und wirtschaftsstarke Region und gleichzeitig die beste Zukunftsvorsorge für unsere Kinder, wollen wir alle langfristig erhalten. Aber das bedeutet eben jetzt:
Wir müssen an die Personalkosten ran, wir müssen an die Sachkosten ran, wir müssen die freiwilligen Leistungen auf den Prüfstand stellen und vielleicht auch die ein oder andere "heilige Kuh" zumindest ihrem Umfang nach in Frage stellen. Uns war dabei wichtig uns nicht im klein-klein zu verzetteln sondern ein wirksames Gesamtpaket auf den Weg zu bringen.
Auf den Weg bringen – denn wir brauchen einen handlungsfähigen Landkreis und dazu gehört ein beschlossener Haushalt. Die Einwohner hätten wohl kaum Verständnis dafür, dass wir uns hier ein Vierteljahr mit dem Thema beschäftigen und uns am Ende nicht einigen können.
Ich glaube, mit dem vorliegenden Antrag wird dem Ernst der Lage Rechnung getragen und wir nehmen uns damit sehr zeitnah vor, tatsächlich wirksame Einsparungen umzusetzen. Insofern bitte ich herzlich um die Zustimmung zu dem gemeinsamen Antrag und natürlich dann zum Haushalt insgesamt.
Vielen Dank."